Spaziere
ich im Juni durch das Engadin, kann ich den Blick auf
wunderschöne Blumenwiesen genießen, die sich in ihrer Artenvielfalt
übertreffen. Die Bäume sind gesund, voll und sattgrün. So fällt
es besonders auf, wenn zwischen dieser leuchtenden grünen Pracht
plötzlich ein schneeweißer Baum aus der Reihe fällt. Trete ich näher heran erkennt man, dass diese Bäume von einem dichten Netz
aus gesponnen Fäden überzogen sind. Die Blätter der Bäume und
Sträucher sind meist vollkommen verschwunden. An einzelnen Stellen
hängen kleine Säckchen gefüllt mit kleinen schwarzen Würmern von
diesem großen fein gesponnen Netzen.
Worum
handelt es sich da genau? Kann es sein, dass im Engadin Seide
gesponnen wird? Sehen Seidenraupen so aus und wird so Seide
gesponnen?
Leider
handelt es sich dabei weder um Seidenraupen noch wird auf diese Art
und Weise Seide gesponnen. Schade eigentlich. Die Seidenraupe ernährt
sich nämlich von den Blättern des Maulbeerbaumes. Und dieser wächst
am besten in warmen Klimagegenden der Welt, wie China, Vietnam,
Thailand. Auch in südeuropäischen Ländern findet man Arten des
Maulbeerbaumes. In der Schweiz ist diese Baumart eher selten.
Ausnahme ist das Tessin. Hier wurden viele Jahre lang Maulbeerbäume
angebaut, um die Seidenraupe zu züchten.
Wie
sieht die Seidenraupe aus? Und was sind das für schwarze Würmer?
Würde
es sich bei diesem Phänomen im Engadin um Seidenraupen handeln, wäre
ein dicker weißer Kokon zu sehen, den die Raupe um sich herum
produziert. Und dieser Kokon besteht aus einem sehr langen
Seidenfaden. In ausgeklügelten Verfahren werden diese Fäden
isoliert und zum Weben von Seide verwendet.
Die
kleinen schwarzen Würmer, die Netze um Bäume im Engadin spinnen
sind wahrscheinlich Gespinstmotten. Diese befallen Weiden, Pappeln
und auch Obstbäume. Die
kleinen Raupen spinnen um die Bäume den wie Seide schimmernden
Schleier, um sich vor Fressfeinden wie Vögeln und auch gegen Regen
zu schützen. Nicht nur das gesponnene Netz schützt die Tierchen,
das
Gespinst selbst ist sehr klebrig und würde Schnabel und Nasenlöcher
der Vögel verkleben.
Erholen
sich die Bäume von diesem Befall?
Bäume
können sogar
bis zu zehn Jahre befallen werden, meist erholen sie sich aber
wieder. Wahrscheinlicher
ist, dass natürliche Feinde das Überleben der Bäume retten. Die
Raupen stehen zum Beispiel auf dem Speiseplan von Schlupfwespen und
Raubwanzen.
Wusstest
du schon....
dass
man 3000 Kokons benötigt, das entspricht etwa 1 kg, um 250 g
Seidenfaden zu erhalten?
Die
Seidenraupe produziert den Seidenfaden in speziellen Drüsen im Maul.
In etwa 300.000 Schlaufen, wickelt die Raupe den Schutz um sich
herum.
Mit
Hilfe von Heißwasser oder Wasserdampf werden die Raupen vor dem
Schlüpfen getötet. So kann verhindert werden, dass die Kokons
zerreißen und die Seidenfäden können aufgenommen werden.